Entwurfssemester des Instituts Architektur der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW
Prof. Shadi Rahbaran und Prof. Ursula Hürzeler.
FEED THE CITY – EINE «FOOD FACTORY» FÜR DAS ROSENTAL.
Unter dem Thema «Feed the city – Architekturen für ein zukunftsfähiges Ernährungssystem*» haben sich die Studierenden des Instituts Architektur der FHNW ein Jahr lang mit dem Kreislauf des Essens beschäftigt. Im Rahmen dieses Jahresthemas sind wir der Frage nach einer nachhaltigen Nahrungsmittelversorgung im Angesicht von Klimanotstand und wachsender Weltbevölkerung nachgegangen.
Konkret erforschten wir die Wechselwirkungen zwischen Architektur und einem erneuerten, nachhaltigen Ernährungssystem, beschäftigten uns mit raumplanerischen Fragen, neuen logistischen Systemen und baulichen Infrastrukturen, die entlang des gesamten lokalen Stoffkreislaufs der Ernährung eine regionale Wertschöpfung ermöglichen.
Im 3. Studienjahr des Bachelorstudiengangs haben wir uns mit dem Thema der Lebensmittelproduktion in der Stadt beschäftigt. Das Land hat die Roherzeugnisse – die Stadt hat die Kapazität und Infrastruktur zur Verarbeitung sowie die Bevölkerung als Abnehmer:in und Konsument:in. Im Raum Basel werden seit jeher Lebensmittel erzeugt, verarbeitet und konsumiert. Die städtische Produktion von Lebensmitteln aus den Erzeugnissen der unmittelbaren Umgebung ist eine vielversprechende Möglichkeit, die Ernährungssicherheit zu verbessern, die Umweltauswirkungen zu verringern und die lokale Wirtschaft zu stärken.
Durch eine engere Zusammenarbeit zwischen Planer:innen, Hersteller:innen, Verarbeiter:innen und Verbraucher:innen könnten diese Potenziale erfolgreich erschlossen werden. Eine «Food Factory» mitten in der Stadt würde diese Potenziale bündeln, die Arbeitsprozesse an einem Ort konzentrieren und für Besucher:innen sichtbar und erlebbar machen. Dabei sollte der gesamte Kreislauf von der Produktion über die Verarbeitung bis hin zum Konsum und der Abfallverwertung möglichst vollständig abgebildet werden. Die Studierenden erarbeiten in Gruppen Konzepte für die Produktion bis zum Vertrieb von Lebensmitteln und erforschten zugleich die Schnittstelle zu möglichen öffentlichen Nutzungen wie Gastronomie oder Forschung.

Eine «Food Factory» mitten in Basel kann alle damit verbundenen Arbeitsprozesse an einem Ort konzentrieren und für Besucherinnen sichtbar und erlebbar machen. Dabei sollte möglichst der ganze Kreislauf der Nahrungsmittelproduktion von der Erzeugung, über die Verarbeitung, bis hin zum Konsum und der Verwertung der Abfälle vollständig integriert werden. Ausgehend von den globalen und überregionalen Ernährungskreisläufen, wurden zum Einstieg die Abhängigkeiten in Basel analysiert. Wir haben dazu verschiedene Betriebe für regionale und biologische Nahrungsmittel-Erzeugung besichtigt, z.B. eine Molkerei, oder auch eine Pilzzucht und Brauerei.
Durch die Beschäftigung mit diesen Abläufen und Prozessen wurden die Studierenden in kurzer Zeit zu Experten und Expertinnen für Getreide, Pilze, Gemüse, und Wein, bis hin zur Entsorgung, Kompostierung und Wiederverwertung. Aus diesem Wissen haben wir ein Programm für eine Food Factory im Rosental Areal entwickelt.

Farbstoff-Packmagazin
Einer der erhaltenswerten Bauten auf dem Rosental Mitte Areal ist der Bau 1055. Diese für den Ort charakteristische, robuste Struktur wurde Ende der 1950er-Jahre durch Burckhardt Partner geplant und als achtgeschossiges Farbstoff-Packmagazin erstellt Die Entwurfsaufgabe zielte darauf ab, möglichst alle Stationen des Lebensmittelkreislaufs abzubilden – und dies auch für die Quartierbevölkerung erlebbar zu machen. Ebenso wichtig war die intensive Auseinandersetzung mit dem Lagergebäude aus Stahlbeton, mit all seinen Qualitäten und Herausforderungen.
Wie sich zeigte, eignet sich die robuste Struktur mit den grosse Spannweiten, hohen Decken und grossen Traglasten sehr gut für neue Nutzungsideen und lässt viele verschiedene Interventionen zu. Wir haben erkannt, dass das transformierte Gebäude als Treffpunkt im Quartier dienen und gleichzeitig Wissen über die Lebensmittelproduktion vermitteln könnte. Der Bezug zur Stadtebene spielte dabei eine entscheidende Rolle, und Überlegungen, wie das Gebäude strukturell geöffnet und das Erdgeschoss aktiv programmiert werden könnte, standen im Mittelpunkt des Projektentwurfs.
Es entstanden Ideen für einen gemeinschaftlichen Ort im Quartier, der zugleich auch ein aktiver Teil des Lebensmittelkreislaufs sein kann. Auch neue Lebensmittelprodukte – wie zum Beispiel Algen – wurden untersucht. Wir fragten nach dem Potenzial dieser Lebensmittel für die Zukunft. Wie werden sie produziert, was sind die Anforderungen an die Produktionsräume? Und aus diesen Erkenntnissen haben wir neuartige, symbiotische Systeme für Mensch und Pflanze entwickelt.
Neben diesen technischen Lösungsansätzen ging es natürlich auch darum, diese Produktionsstätten in ihrer räumlichen Wirkung zu untersuchen und ihr Potenzial für das Sichtbarmachen des Thema «Nahrung» zu erkennen. Erfreulicherweise erwies sich die bestehende robuste Struktur als sehr flexibel, auch für ganz andere Nutzungen. Durch Subtraktion, Addition und Überlagerung neuer Geometrien konnte das ehemalige Lagergebäude komplett umgestaltet werden. Auch die Nutzungsüberlagerung von Produktionsräumen mit Nutzungen für die Stadtbevölkerung führte zu einem vielversprechenden Ansatz: Es entstanden Einblicke und Berührungspunkte, die in monoprogrammatischen Gebäuden so nicht stattfinden können.
Abschliessend kann man sagen, dass die Entwurfsarbeit sehr herausfordern war, weil es uns ein Anliegen war die grossen Kreisläufe zu verstehen. Gleichzeitig war sie auch sehr konkret, sowohl in der Auseinandersetzung mit dem Bestand wie auch mit dem Stadtraum. Wir haben versucht in der bestehenden Struktur sowohl Räume für die Gemeinschaft wie auch Räume für die Produktion zu schaffen, und diese miteinander in Beziehung gesetzt. Dabei bildeten die übergeordneten Kreisläufe die Basis für die Überlegungen im konkreten Fall. In unserem Fall zeigte sich das untersuchte Bauwerk als eine robuste Struktur, welche sich gut erweitern, beschneiden oder transformieren lässt.
*Das Institut Architektur der FHNW widmet sich seit zwei Jahren in Lehre und Forschung dem Thema der CONSTRUCTIVE FUTURES und damit der Auseinandersetzung darüber, wie wir in Zukunft planen und bauen werden. Eine konstruktiv motivierte Entwurfskultur soll dabei neue Wege im Umgang mit unseren beschränkten Ressourcen aufzeigen. In jedem Studienjahr wird seit der Einführung dieses übergeordneten Themas jeweils ein ausgesuchter Aspekt als thematischer Schwerpunkt behandelt. Vergangene und aktuelle Schwerpunkte waren «Beyond Concrete», «Keeping What’s Good» und «in-between».